Arbeitsrecht - Die betriebsbedingte Kündigung
Ihr gutes Recht.Eine betriebsbedingte Kündigung ist dann sozial gerechtfertigt gemäß § 1 Absatz 2 KschG, wenn dringende betriebliche Gründe vorliegen und die Sozialauswahl gemäß § 1 Absatz 3 KschG richtig durchgeführt worden ist.
Voraussetzung für die Zulässigkeit der betriebsbedingten Kündigung ist zunächst das Vorliegen eines geeigneten Grundes.
Hierbei ist zu unterscheiden zwischen
dringenden innerbetrieblichen Gründen (Organisationsmaßnahmen, Umstrukturierungen, Rationalisierungen, Betriebsschließung) und
dringenden außerbetrieblichen Gründen (Umsatzrückgang, Rückgang des Auftragseingangs).
Die betrieblichen Gründe müssen also dringend sein.
Dies ist bereits nicht der Fall, wenn es alternative, gleichwertige oder auch andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer gibt.
Einen neuen Arbeitsplatz muß der Arbeitgeber jedoch nicht schaffen
Grundsätzlich gilt, daß die betriebsbedingte Kündigung immer nur die Ultima Ration sein darf.
Innerbetriebliche
Gründe
Grundsätzlich unterliegen unternehmerische Entscheidungen des Arbeitgebers nicht der gerichtlichen Kontrolle auf Sinn- und Zweckmäßigkeit.
Eine solche unternehmerische Entscheidung ist etwa eine organisatorische Umstrukturierung , die dazu führt, daß ein bestimmter Arbeitnehmer nicht mehr gebraucht wird. Dazu gehört auch das Outsourcing, also die Verlagerung bestimmter Tätigkeitsbereiche auf andere externe (selbständige) Unternehmen.
Weitere innerbetriebliche Gründe sind
- Einschränkungen des Betriebs durch Umstellung / Reduzierung des Schichtbetriebs
- Einführung neuer Fertigungsmethoden
- Reduzierung oder Umstellung der Produktion (Rationalisierungsmaßnahmen)
- organisatorische Veränderungen / Rationalisierungsmaßnahmen
- Stillegung des Betriebs oder eines Betriebsteils
Gerichtlich überprüfbar ist jedoch, ob eine solche unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt bzw. umgesetzt wird und ob dies dazu führt, daß damit die Notwendigkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers wirklich entfallen ist.
Hier muß der Arbeitgeber im Zweifel im einzelnen darlegen, welche konkreten organisatorischen Maßnahmen ergriffen worden sind und warum deshalb das Beschäftigungsbedürfnis entfallen sein soll.
Außerbetriebliche
Gründe
Wenn der Arbeitgeber sich in der Kündigung auf außerbetriebliche Gründe beruft, müssen sich diese auch unmittelbar auf die Beschäftigung ausgewirkt haben.
Die typischen außerbetrieblichen Gründe sind
- Absatzrückgang
- Auftragsrückgang
- Umsatzrückgang
Der Arbeitgeber muß die konkrete Entwicklung dieser wirtschaftlichen Kennzahlen und deren Auswirkungen auf den zu kündigenden Arbeitsplatz darlegen und nachweisen, wie sich die negative Entwicklung auf genau das zu kündigende Arbeitsverhältnis auswirkt.
Damit ist etwa eine Kündigung aus betrieblichen Gründen, die nur mit "Umsatzrückgang" oder "verschlechterter wirtschaftlicher Lage" begründet wird, unwirksam, weil sie nicht spezifiziert genug ist.
Der Arbeitgeber unterliegt darüber hinaus einer Selbstbindung, das bedeutet, daß er im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidung zur Kompensation der negativen wirtschaftlichen Entwicklung nur insoweit Arbeitsplätze kündigen darf, wie dies im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung unbedingt notwendig ist.
Eine Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse ist trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, § 1 Abs. 3 Satz 1 KschG.
Die Sozialauswahl erfolgt in 3 Stufen:
Auf der ersten Stufe sind die Arbeitnehmern mit einem vergleichbarem Arbeitsplatz zu identifizieren (horizontale Vergleichbarkeit).
Vergleichbarkeit bedeutet in diesem Zusammenhang die grundsätzliche Austauschbarkeit der Arbeitnehmer ohne längere Einbarbeitungszeit, ohne daß für den Austausch eine Änderungskündigung nötig wäre, sondern alleine eine durch das Direktionsrecht gedeckte Anweisung des Arbeitgebers, wofür wiederum die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeitsbeschreibung entscheidend ist.
Dabei geht es bei der Vergleichbarkeit um arbeitsplatzbezogene Merkmale. Im Vordergrund steht also die jeweils vom Arbeitgeber ausgeübte Tätigkeit, nicht seine (eigentliche) Qualifikation.
Gemäß § 1 Absatz 3 Satz 2 KSchG kann der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl ausnahmsweise solche Arbeitnehmer von vornherein ausnehmen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
Durch den Zusatz "berechtigte" Interessen wird erkennbar, daß es also auch betriebliche Interessen gibt, die nicht berechtigt sind.
Da es sich bei der Vorschrift zur Ausklammerung der Leistungsträger um eine Ausnahme bei der Sozialauswahl handelt, sind die betrieblichen Interessen nur dann berechtigt, wenn ihnen keine sozialen Belange der sozial schwächeren Arbeitnehmer entgegenstehen.
Das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des "Leistungsträgers" abzuwägen: Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein, vgl. Urteil des Bundesarbeits-
gerichts vom 12. April 2002, AZ: 2 AZR 706/00.
Für die eigentliche Sozialauswahl bestimmt das Gesetz in § 1 Absatz 3 KSchG vier abschließende Kriterien:
"Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben."
Andere Punkte wie Krankheit oder Überschuldung dürfen also nicht berücksichtigt werden.
Wie die vier Kriterien untereinander zu gewichten sind, ist im Gesetz jedoch nicht präzisiert, bleibt also letztlich der (subjektiven) Einschätzung durch das Gericht vorbehalten.
Gebräuchlich und vom Bundesarbeitsgericht bereits 1990 in ständiger Rechtsprechung für zulässig (Urteil vom BAG Urteil vom 18.01.1990 - 2 AZR 357/89 [pdf: 60 KB] und etwa Urteil vom 09.11.2006, AZ: 2 AZR 812/05) erachtet ist jedoch eine Gewichtung nach einem Punkteschema etwa nach folgendem Muster:
Unterhaltspflicht
für Ehegatten | 8 Punkte |
Unterhaltspflicht für jedes Kind | 4
Punkte |
Betriebszugehörigkeit bis
10 Dienstjahre je Dienstjahr | 1
Punkt |
ab dem 11. Dienstjahr je Dienstjahr
(berücksichtigt werden nur Betriebszugehörigkeiten
bis zum vollendeten 55. Lebensjahr und maximal 70 Punkte) |
2 Punkte |
Lebensalter jedes
vollendete Lebensjahr (maximal 55 Punkte) | 1 Punkt |
Grundsätzlich werden ältere Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl gegenüber jüngeren Arbeitnehmern bevorzugt, weil bei letzteren unterstellt wird, es falle ihnen leichter, wieder einen anderen Arbeitsplatz zu bekommen.
Der Arbeitgeber hat aber bei umfangreichen Entlassungen die Möglichkeit, die Belegschaft in Altergruppen zu unterteilen und sodann innerhalb dieser Altergruppen eine Sozialauswahl nach den üblichen Kriterien wie
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Alter
- Persönliche Verhältnisse
- Unterhaltspflichten
- Schwerbehinderung
Die grundsätzliche Bevorzugung älterer Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl verstößt auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 06.11.2008, AZ: 2 AZR 701/07.
Von der Sozialauswahl nach den vorgenannten Kriterien läßt das Gesetz jedoch aus Ausnahmen zu:
So lautet § 1 Absatz 3 KschG:
"Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden."
Der Arbeitgeber kann also mit dem Betriebsrat oder dem Personalrat Richtlinien für die Auswahl der Arbeitnehmer bei Kündigungen vereinbaren, die gerichtlich nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können.
Eine weitere Einschränkung der Grundsätze der Sozialauswahl ist in § 1 Absatz 5 KschG konstituiert:
"Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden."
Wenn im Rahmen des Interessenausgleichs zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber also bestimmte Arbeitnehmer ausdrücklich namentlich bezeichnet sind, stehen ihre Chancen in einem Kündigungsschutzprozeß schlecht, weil die Sozialauswahl vom Gericht nur noch auf grobe Fehler hin überprüft werden kann.